Neues Spiel, alter Frust
- Alex
- 22. Juni 2020
- 3 Min. Lesezeit
Das Drama kündigt sich schleichend an. Ein neues Spiel wird aufgebaut, auf das man sich schon gefreut hat. Die Familie beäugt es skeptisch mit jedem neuen Pöppel und Kartenstapel, der aus der Kiste kommt. Die Dicke des Regelwerkes lässt nichts Gutes ahnen. Wieder so ein Papaspiel – viel Taktik, Strategie, Regeln und jede Menge Zeit, bis die Regeln dann erklärt sind. Oder zumindest glaubt man das, bis dann kurz vor dem Ende des Leidens „neue“ Regeln auftauchen (solche, die die Familie überhört hat) und den vermeintlich schlauen Zug annulliert.
Ich denke, so oder ähnlich läuft es häufig ab. Da verliert dann gerne jemand die Lust auf neue Spiele oder aufs Spielen generell, wenn es einfach keinen Spaß für alle macht. Braucht man denn ständig neue Spiele? Bei der Fülle auch gerade an guten Spielen ist der Reiz natürlich groß, sich die Topgames des Monats, ok, vielleicht des Jahres zuzulegen. Nur sind die dann nicht häufig „Familien-kompatibel“. Die Bekannten werden bevorzugt, die für mich, den Vielspieler, schon schal werden. Ein tolles Pflaster scheinen die Erweiterungen zu sein, gibts ja mittlerweile für die meisten halbwegs erfolgreichen Titel, die dem alten Treiben neue Frische einhauchen können. Meistens verändern diese aber schon eine Menge am Spiel – damit lässt sich die Bande nicht (immer) täuschen.
Abhilfe schafft hier für mich viel mehr der kleine chirurgische Eingriff, eine kleine Änderung der Regeln, gar nicht so sehr neues Material. Das Beispiel von Alhambra in der BigBox dient mir hier als schönes Beispiel für eine tolle Trickkiste, sich das Spiel ganz einfach so zurechtzubiegen, wie man es haben möchte, ohne das Spiel groß zu verändern. Und mit den 20 kleinen Varianten kann man schon eine Weile experimentieren. Ganz anders liegt der Fall da z.B. bei 7 Wonders, das auch mit einigen Erweiterungen daherkommt. Hier sind die meisten aber deutlich mehr spielverändernd, was dem Gelegenheitsspieler zu viel werden kann.
Meine Lösung für solche Fälle sind die klassischen Hausregeln, aber im neuen Gewand. Nein, stimmt nicht, das Gewand ist eigentlich dasselbe. Der Kern ändert sich. Meist sind Hausregeln etwas Gewachsenes, das aus der Intuition des Moments, falsch gelesenen Regeln oder einfach aus einer Laune heraus entstehen. Ich möchte vielmehr eine gezielte Regeländerung, um dem Spiel eine größere Zielgruppe zu verpassen. Ganz eigennützig, damit sich die Familie wieder an einen Tisch setzen kann, und alle beim gleichen Spiel Spaß haben. Das Gleiche gilt natürlich für Vielspieler, die sich auch mit ihren Freunden, die eher nur ab und zu spielen, an die komplexeren Kandidaten wagen können. Vielleicht hilft es, die Hemmschwellen gegenüber komplexeren Spielen abzubauen, indem man die Komplexität des Spiels für die ersten Partien reduziert.
Ganz fantastisch sind da Spiele, die schon mit einer aufbauenden Komplexität in der Schachtel daherkommen. Erstes Beispiel, das mir spontan einfällt, wäre hier Harry Potter – Kampf um Hogwarts. Leichter Einstieg, steigende Schwierigkeit im Verlauf des Spiels. Gleiches sagt man dem MyCity nach, das ich noch nicht gespielt habe. Ich hoffe, das sich so etwas wie gespielte Tutorials in komplexeren Spielen durchsetzen, um den Zugang zu erleichtern. Da fällt mir noch Die Crew ein, die das ganz ähnlich macht. Mit jeder Mission steigt die Schwierigkeit, die Aufgaben zu erfüllen. Sollte das Spiel demnächst tatsächlich den begehrten Preis als Kennerspiel des Jahres einheimsen (würdiger Kandidat meiner Meinung nach, wobei ich das eher als „Spiel des Jahres“ eingeschätzt hätte :-P), würde ich mich freuen, wenn so ein Tutorialkonzept demnächst in mehr Spielen Einzug hält.
Jetzt brauche ich nur noch die Zeit, um euch meine Ideen und Hausregeln für unsere Spiele aufzubereiten 😊 Bleibt dran und seid gespannt, was da so kommen wird.
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